In bestimmten Arbeitsbereichen herrschen vorhersehbare Bedingungen vor, die das Risiko von Nadelstichverletzungen erhöhen. Dies können etwa Arbeitsbereiche sein, in denen ihrer Natur nach unter erhöhtem Zeitdruck gearbeitet werden muss (z. B. Notaufnahmen, Schockräume, Rettungsdienst) oder Arbeitsbereiche, in denen potenziell fremdgefährdende Patientinnen und Patienten versorgt werden (Psychiatrien, Krankenhäuser bzw. -stationen im Justizvollzug).
In solchen Arbeitsbereichen sind über den Basisschutz hinaus ggf. zusätzliche Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten vor Nadelstichverletzungen erforderlich. So schreibt die TRBA 250 etwa für folgende Bereiche und Tätigkeiten den Einsatz von Sicherheitsgeräten – unabhängig vom Ergebnis der eigenen Gefährdungsbeurteilung – zwingend vor:
- Behandlung und Versorgung von Patientinnen und Patienten, die nachgewiesenermaßen durch Erreger der Risikogruppe 3 (einschließlich 3**) oder höher infiziert sind,
- Behandlung fremdgefährdender Patientinnen und Patienten,
- Tätigkeiten im Rettungsdienst und in der Notfallaufnahme,
- Tätigkeiten in Krankenhäusern bzw. -stationen im Justizvollzug,
- Blutentnahmen,
- sonstige Punktionen zur Entnahme von Körperflüssigkeiten,
- Legen von Gefäßzugängen.
Weiterhin können organisatorische Maßnahmen das Risiko von Nadelstichverletzungen reduzieren. Insbesondere sollte nach Möglichkeit für ausreichend Bewegungsraum und eine gute Arbeitsplatzergonomie gesorgt sowie Zeitdruck und Störungen vermieden werden.
Im OP-Bereich bringt die Übergabe von chirurgischen Instrumenten ein hohes Risiko für Stich- und Schnittverletzungen mit sich. Tipps und Hinweise für die Praxis enthält die Broschüre „Stich- und schnittfreie Zone – für das OP-Personal“ der Unfallkasse Berlin.
In der Dialyse ist neben dem Schutz der Beschäftigten auch der Patientenschutz in besonderer Weise zu berücksichtigen. Insbesondere müssen gemäß TRBA 250 folgende Anforderungen an Sicherheitsgeräte immer erfüllt sein:
- Sie dürfen weder Patientinnen und Patienten noch Beschäftigte gefährden.
- Sie müssen einfach und anwendungsorientiert zu benutzen sein.
Im Fachbereich AKTUELL FBWoGes-005 „Sicherheit bei der Shuntpunktion in der Dialyse“ wird u. a. folgender Hinweis zum Einsatz von Sicherheitsgeräten bei Shunt-Punktionen gegeben:
Ergibt die Gefährdungsbeurteilung, dass die auf dem Markt befindlichen Instrumente mit Sicherheitsmechanismus, die nach Punkt 4.2.5 der TRBA 250 geforderten Eigenschaften nicht erfüllen oder Einzelfall (beispielsweise aufgrund der Art des Shunts bei einem bestimmten Patienten) die Gefährdung für den Anwender nicht verringern oder sogar erhöhen, können bis zur Entwicklung geeigneter sicherer Systeme herkömmliche Instrumente - unter Beachtung angepasster Sicherheitsmaßnahmen - weiter verwendet werden. Dies ist in der Gefährdungsbeurteilung nachvollziehbar zu begründen und entbindet den Unternehmer nicht, weiterhin regelmäßig zu prüfen, ob geeignete Geräte mit Sicherheitsmechanismus verfügbar sind und diese die Anforderungen erfüllen.
Darüber hinaus formuliert die TRBA 250 für weitere Arbeits- und Tätigkeitsbereiche spezifische, zusätzliche Maßnahmen zum Schutz vor biologischen Arbeitsstoffen:
- Ambulante Pflege (Versorgung)
- Instandhaltung
- Reinigungsarbeiten
- Aufbereitung von Medizinprodukten
- Umgang mit benutzter Wäsche
- Entsorgung von Abfällen
- Multiresistente Erreger
- Pathologie – Durchführung von Sektionen und Bearbeitung von Nativproben
Die dort genannten Schutzmaßnahmen zielen zum Teil auch auf den Schutz vor Nadelstichverletzungen ab. Hauswirtschaftliche Bereiche wie die Wäscherei oder auch die Spülküche sind von Nadelstichverletzungen insbesondere aufgrund der unsachgemäßen und verbotswidrigen Entsorgung von spitzen und scharfen Instrumenten betroffen. Beispiele sind etwa Spritzen und Kanülen, die auf Essenstabletts abgelegt werden und so in den Küchenbereich gelangen. Derartiges Verhalten der Anwenderinnen und Anwender von medizinischen Instrumenten ist nicht tolerierbar und muss konsequent verfolgt werden.