Grundlegende Anforderungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz ergeben sich aus dem:
Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)
In §3 ArbSchG heißt es:
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben.
In §4 ArbSchG sind allgemeine Grundsätze beschrieben:
Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen:
- Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird;
- Gefahren sind an ihrer Quelle zu bekämpfen;
- bei den Maßnahmen sind der Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen;
- Maßnahmen sind mit dem Ziel zu planen, Technik, Arbeitsorganisation, sonstige Arbeitsbedingungen, soziale Beziehungen und Einfluss der Umwelt auf den Arbeitsplatz sachgerecht zu verknüpfen;
- individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen;
- spezielle Gefahren für besonders schutzbedürftige Beschäftigtengruppen sind zu berücksichtigen;
- den Beschäftigten sind geeignete Anweisungen zu erteilen;
- mittelbar oder unmittelbar geschlechtsspezifisch wirkende Regelungen sind nur zulässig, wenn dies aus biologischen Gründen zwingend geboten ist.
In den Rechtsverordnungen zum Arbeitsschutzgesetz werden diese allgemeinen Anforderungen weiter konkretisiert. Bezüglich der biologischen Arbeitsstoffe regelt dies die:
Biostoffverordnung
Die allgemeinen Schutzmaßnahmen zum sicheren Umgang mit biologischen Arbeitsstoffen sind in §9 der Verordnung geregelt. Dazu gehören etwa allgemeine Hygienemaßnahmen, die Vermeidung von Aerosol- und Staubbildung, die Anwendung geeigneter Desinfektionsmaßnahmen sowie die Handhabung der Persönlichen Schutzausrüstungen.
Für Einrichtungen des Gesundheitsdienstes werden in §11 BioStoffV zusätzliche Schutzmaßnahmen beschrieben. Mit Hinblick auf Nadelstichverletzungen gelten insbesondere folgende Bestimmungen:
- spitze und scharfe Instrumente sind durch solche zu ersetzen, von denen eine geringere oder keine Gefahr von Stich- und Schnittverletzungen ausgeht;
- Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass gebrauchte Kanülen nicht in die Schutzkappen zurückgesteckt werden;
- spitze und scharfe medizinische Instrumente sind unmittelbar nach Gebrauch sicher zu entsorgen;
- der Arbeitgeber hat die Beschäftigten und ihre Vertretungen über Verletzungen durch gebrauchte spitze oder scharfe medizinische Instrumente, die organisatorische oder technische Ursachen haben, zeitnah zu unterrichten;
Die weitergehenden Regelungen des §11 BioStoffV betreffen Tätigkeiten der Schutzstufen 3 und 4, die hier nicht näher behandelt werden.
Die Regelungen der BioStoffV sind noch nicht sehr konkret und instruktiv. Daher werden sie im Technischen Regelwerk (hier TRBA 250) weiter konkretisiert:
TRBA 250
Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege
Die Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten der Schutzstufe 2 sind in Abschnitt 4.2 der TRBA 250 beschrieben. Mit Hinblick auf Nadelstichverletzungen ist insbesondere der Unterabschnitt 4.2.5 „Prävention von Nadelstichverletzungen“ zu beachten.
Die grundlegende Anforderung ist, dass beim Umgang mit benutzten medizinischen Instrumenten und Geräten Maßnahmen zu ergreifen sind, die eine Verletzungs- und Infektionsgefahr der Beschäftigten minimieren. Dabei ist ein integrierter Ansatz zur Minimierung des Risikos von Nadelstichverletzungen (NSV) unter Ausschöpfung aller technischen, organisatorischen und persönlichen Maßnahmen notwendig. Dies schließt Fragen der Arbeitsorganisation und die Schaffung eines Sicherheitsbewusstseins sowie das Verfahren für die Erfassung von NSV und die Durchführung von Folgemaßnahmen mit ein.
Konkretisiert wird dies in den folgenden Abschnitten der Ziffer 4.2.5. Hier die wesentlichen Anforderungen im Einzelnen:
TRBA 250 4.2.5 (2)
zur Quelle
TRBA 250 4.2.5 (3)
(3) Vorrangig sind solche geeigneten und sicheren Arbeitsverfahren und Arbeitsmittel auszuwählen, die den Einsatz spitzer und scharfer medizinischer Instrumente überflüssig machen. Dies sind z. B.:
- nadelfreie Infusionssysteme mit Rückschlagventil zur Konnektion mit Venenzugängen für das Zuspritzen von Medikamenten und für die Blutentnahme,
- Kunststoffkanülen für nadelfreies Aufziehen von Körperflüssigkeiten,
- stumpfe Kanülen zum Spülen von Wurzelkanälen in der Endodontie,
- stumpfe Rundkörper-Nadeln zum Nähen weniger dichter innerer Bindegewebe/Faszien/Muskeln.
TRBA 250 4.2.5 (4)
(4) Ist der Einsatz spitzer und scharfer medizinischer Instrumente notwendig, sind Arbeitsgeräte mit Sicherheitsmechanismen (im Folgenden „Sicherheitsgeräte“) unter Maßgabe der folgenden Ziffern 1 bis 7 zu verwenden, bei denen keine oder eine geringere Gefahr von Stich- und Schnittverletzungen besteht, soweit dies zur Vermeidung einer Infektionsgefährdung erforderlich und technisch möglich ist.
- Sicherheitsgeräte sind bei folgenden Tätigkeiten aufgrund erhöhter Infektionsgefährdung oder Unfallgefahr einzusetzen:
- Behandlung und Versorgung von Patientinnen und Patienten, die nachgewiesenermaßen durch Erreger der Risikogruppe 3 (einschließlich 3**) oder höher infiziert sind,
- Behandlung fremdgefährdender Patientinnen und Patienten,
- Tätigkeiten im Rettungsdienst und in der Notfallaufnahme,
- Tätigkeiten in Krankenhäusern bzw. -stationen im Justizvollzug,
- Blutentnahmen,
- sonstige Punktionen zur Entnahme von Körperflüssigkeiten,
- Legen von Gefäßzugängen.
- Bei allen sonstigen nicht unter die Ziffer 1 fallenden Tätigkeiten hat der Arbeitgeber in der Gefährdungsbeurteilung das Unfallrisiko und das Infektionsrisiko zu bewerten und angemessene Maßnahmen zu treffen. Hinweis: Es ist zu vermeiden, in einem Arbeitsbereich für vergleichbare Tätigkeiten sowohl Sicherheitsgeräte als auch herkömmliche Instrumente einzusetzen. Dies könnte zu Fehlbedienungen führen.
- Sicherheitsgeräte zur Verhütung von Stich- und Schnittverletzungen müssen folgende Eigenschaften erfüllen:
- Sie dürfen weder Patientinnen und Patienten noch Beschäftigte gefährden. Sie müssen einfach und anwendungsorientiert zu benutzen sein.
- Der Sicherheitsmechanismus ist Bestandteil des Systems und kompatibel mit anderem Zubehör.
- Die Aktivierung des Sicherheitsmechanismus muss:
- selbstauslösend sein oder einhändig erfolgen können,
- sofort nach Gebrauch möglich sein,
- einen erneuten Gebrauch ausschließen und
- durch ein deutliches Signal (fühlbar, sichtbar oder hörbar) gekennzeichnet sein.
- Die Auswahl der Sicherheitsgeräte hat anwendungsbezogen zu erfolgen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Handhabbarkeit und Akzeptanz durch die Beschäftigten. Dabei hat der Arbeitgeber folgende Vorgehensweise zu berücksichtigen:
- Einbeziehung der Anwenderinnen und Anwender und der Arbeitnehmer-Vertretung,
- Sammeln von Informationen über aktuell gehandelte Sicherheitsgeräte einschließlich allgemein vorhandener Erfahrungen beim Umgang mit Sicherheitsgeräten (siehe Anhang 4 „Erfahrungen beim Einsatz von Sicherheitsgeräten“),
- Auswahl vorzugsweise anhand praktischer Probeexemplare unter Einbeziehung der Anwenderinnen und Anwender,
- Evaluierung der Praxiserfahrungen aussichtsreicher Sicherheitsgeräte hausintern, z. B. in einer Abteilung. Dabei bietet sich der begleitende Einsatz von Rückmeldebögen an (siehe Anhang 5 Beispiel für ein Muster „Interner Rücklaufbogen – Evaluierung Sicherheitsgeräte“).
- Beim Umgang mit spitzen und scharfen Instrumenten müssen Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung mit dem Ziel gestaltet werden, dass ein ungestörtes, unterbrechungsfreies und konzentriertes Arbeiten möglich ist.
- Es ist sicherzustellen, dass die Beschäftigten die Sicherheitsgeräte richtig anwenden können. Dazu ist es notwendig, über die Sicherheitsgeräte zu informieren und deren Handhabung in der praktischen Anwendung zu vermitteln.
- Die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen ist zu überprüfen. Dazu gehört auch ein Verfahren zur lückenlosen Erfassung und Analyse von NSV, um technische und organisatorische Unfallursachen erkennen und eine Abhilfe vornehmen zu können (siehe auch Anhang 6 Beispiel für einen „Erfassungs- und Analysebogen Nadelstichverletzung“).
TRBA 250 4.2.5 (5)
(5) Gebrauchte Kanülen dürfen nicht in die Kanülenabdeckung (Schutzkappe) zurückgesteckt werden. Sie dürfen auch nicht verbogen oder abgeknickt werden, es sei denn, diese Manipulation dient der Aktivierung einer integrierten Schutzvorrichtung. Der Sicherheitsmechanismus darf nicht durch Manipulationen außer Kraft gesetzt werden.
Werden Tätigkeiten ausgeübt,
- die nach dem Stand der Technik eine Mehrfachverwendung des medizinischen Instruments erforderlich machen, z. B. bei der Lokalanästhesie in der Zahnmedizin, und
- bei der die Kanüle in die Kanülenabdeckung zurückgesteckt werden muss, ist dies zulässig, wenn ein Verfahren angewendet wird, das ein sicheres Zurückstecken der Kanüle in die Kanülenabdeckung mit einer Hand erlaubt, z. B. Verwendung eines Schutzkappenhalters. Das anzuwendende Verfahren ist in einer Arbeitsanweisung nach § 14 Absatz 4 Nummern 2 und 3 BioStoffV festzulegen.
TRBA 250 4.2.5 (6)
(6) Gebrauchte spitze und scharfe medizinische Instrumente einschließlich derer mit Sicherheitsmechanismus sind unmittelbar nach Gebrauch durch die Anwenderinnen und Anwender in Abfallbehältnissen zu sammeln. Die Abfallbehältnisse müssen den Abfall sicher umschließen. Dabei sind die Behälter so nah wie möglich am Verwendungsort der spitzen, scharfen oder zerbrechlichen medizinischen Instrumente aufzustellen. Sie dürfen nicht umgefüllt werden. Die Abfallbehältnisse müssen folgende Eigenschaften aufweisen:
- Sie sind fest verschließbare Einwegbehältnisse.
- Sie geben den Inhalt, z. B. bei Druck, Stoß, Fall, nicht frei.
- Sie sind durchdringfest.
- Ihre Beschaffenheit wird durch Feuchtigkeit nicht beeinträchtigt.
- Behältergröße und Einfüllöffnung sind abgestimmt auf das zu entsorgende Gut.
- Sie öffnen sich beim Abstreifen von Kanülen nicht.
- Sie sind eindeutig und verwechslungssicher als Abfallbehältnisse zu erkennen (Farbe, Form, Beschriftung).
- Die Abfallbehältnisse sind auf die Entsorgungskonzeption und auf die verwendeten Spritzensysteme (Abstreifvorrichtung für verschiedene Kanülenanschlüsse) abgestimmt.
- Ihre maximale Füllmenge ist angegeben, ihr Füllgrad ist erkennbar. Hinweis: Die DIN EN ISO 23907 beschreibt die Prüfanforderungen, die solche Abfallbehältnisse zu erfüllen haben. Gefüllte Abfallbehältnisse sind sicher zu entsorgen.