Eine große Rolle bei der Verringerung, Begrenzung bzw. Vermeidung psychischer Belastungen spielt die Arbeitszeitgestaltung. Durch eine gesundheitsgerechte Gestaltung der Arbeitszeiten wird die Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit bzw. Familie erst ermöglicht. Mit dem Gefühl, dass die Arbeit nicht das Leben ausfüllt, sondern ausreichend Zeit für das Leben außerhalb bleibt, wird bei den Menschen ein hohes Gefühl von Lebensqualität und -zufriedenheit erzeugt.
Arbeitszeitgesetz
Hält man sich bei der Planung der Arbeitszeiten an die gesetzlichen Vorgaben aus dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG), hat man wesentliche Aspekte einer gesundheitsgerechten Dienstplanung schon erfüllt. Trotzdem ist zu beachten, dass selbst dann eine Gesundheitsgefährdung noch bestehen kann! Wenn z. B. 21 Std. lang am Stück gearbeitet wird, ist dies im Zweifel im Einklang mit dem ArbZG, aber nicht gesundheitsgerecht.
Bei dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) handelt es sich um ein Arbeitnehmerschutzgesetz. Zweck des Gesetzes ist es u. a., die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeitsgestaltung zu gewährleisten und die Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeiten zu verbessern (§ 1 ArbZG).
Das Arbeitszeitgesetz bildet den Rahmen für eine moderne Arbeitszeitgestaltung. Es sorgt für eine gerechte Balance zwischen Bedürfnissen der Beschäftigten und den Anforderungen der Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft. Gesetzliche Arbeitszeit bedeutet aktiven Gesundheitsschutz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, indem tägliche Höchstarbeitszeiten begrenzt und Mindestruhepausen sowie Mindestruhezeiten nach Arbeitsende festgelegt werden.
Bei der Einhaltung der acht Stunden dauernden werktäglichen Arbeitszeit mit zusätzlich einer Pause von einer halben Stunde kann man davon ausgehen, dass der Beschäftigte nicht durch seine Arbeitszeiten belastet wird. Eine zu lange Arbeitszeit oder ungünstige Lage der Arbeitszeit kann den Beschäftigten massiv gefährden bzw. belasten. Bei Übermüdung durch zu lange Arbeitszeiten sinkt die Konzentration und die Gefahr von Unfällen und Fehlern steigt.
Rahmenbedingungen
Es liegt in der Natur eines Krankenhausbetriebes, dass viele Beschäftigte länger als acht Stunden arbeiten müssen. Neben den Tagdiensten gibt es auch Spät- oder Nachtschichten, es müssen Bereitschaftsdienste geleistet werden, die eine Anwesenheit im Haus von weit über acht Stunden erfordern, und es werden Rufdienste angeordnet, durch die der Beschäftigte in seiner Freizeitgestaltung eingeschränkt ist und in denen er jederzeit zum Einsatz gerufen werden kann.
Folgende Rahmenbedingungen sollten beachtet werden, um eine gesundheitsgerechte und gesetzeskonforme Dienstplangestaltung zu erreichen:
- Einhaltung der max. 10 Stunden dauernden werktägliche Arbeitszeit, wobei die acht Stunden im 24-Wochen-Schnitt bzw. Sechs-Monats-Schnitt eingehalten werden müssen.
- Die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Pausen von 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von sechs bis acht Stunden und von 45 Minuten bei einer Arbeitszeit über neun Stunden ist besonders wichtig. Sie dienen der Erholung und Regeneration von den Belastungen während der Arbeitszeit.
- Bei einer Opt-Out-Regelung ist darauf zu achten, dass die über die 48 Stunden (Nettoarbeitszeit = Regelarbeit plus die durchschnittliche Inanspruchnahme im Bereitschaftsdienst) hinausgehende Wochenarbeitszeit Ruhezeiten aus dem Bereitschaftsdienst sind.
- Vor der Festlegung der Bereitschaftsdienstzeiten muss eine Aufschreibung durchgeführt werden. Dabei handelt es sich um eine Dokumentation, bei der alle Inanspruchnahmen (mit genauen Zeitangaben hinsichtlich der Lage und Länge) im Bereitschaftsdienst aufgezeichnet werden. Wichtig ist, dass im Bereitschaftsdienst keine elektiven Tätigkeiten (Patientenbriefe, Berichte, sonstige Dokumentationen des Regeldienstes) durchgeführt werden. Die Aufschreibung muss über einen repräsentativen Zeitraum (drei bis sechs Monate) durchgeführt werden. Erst durch die Auswertung dieser Daten kann festgestellt werden, wann der Bereitschaftsdienst beginnen kann und um welche Stufe es sich dabei handelt. Bereitschaftsdienste, die aus dem „Gefühl“ heraus bestimmt werden, sind in der Regel falsch angesetzt. Die Länge des Bereitschaftsdienstes für einen Beschäftigten sollte immer in Abhängigkeit von der BD-Stufe festgelegt werden. Es ist selbsterklärend, dass ein BD der Stufe I länger sein darf als einer der Stufe III.
- Die Einhaltung einer maximalen Nettoarbeitszeit von 12 Stunden ist besonders zu beachten. Die Nettoarbeitszeit ergibt sich aus der Vollarbeit plus der durchschnittlichen Inanspruchnahme im Bereitschaftsdienst. Hat man eine Vollarbeit von acht Stunden und im Anschluss einen Bereitschaftsdienst, muss errechnet, werden wie lang dieser max. sein darf, um die durchschnittlichen 12 Stunden Nettoarbeitszeit einzuhalten. Bei einem BD der Stufe I könnte die Länge des BD max. 16 Stunden betragen, bei einem Dienst der Stufe III aber nur max. 8 Stunden. Bei beiden Diensten ergibt sich eine Nettoarbeitszeit von 12 Stunden, einschließlich einer vierstündigen Inanspruchnahme im Bereitschaftsdienst und acht Stunden Vollarbeit. Die max. Länge von 12 Stunden Nettoarbeitszeit ergibt sich aus dem Vergleich mit den Belastungen eines 24-stündigen Werktages. 12 Stunden Arbeit, eine Stunde Pause und 11 Stunden Ruhezeit füllen den Werktag aus.
- Die Menge der Bereitschaftsdienste sollte auf max. fünf im Monat begrenzt sein.
- Besonders bei der Dienstplanung für die Nachtschichten sind auch die gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse zu berücksichtigen. Die Nachtarbeit stellt eine besonders hohe Belastung für die Beschäftigten dar. Der menschliche Körper ist in der Nacht auf Erholung eingestellt. Die Anpassungsfähigkeit nimmt mit zunehmendem Alter ab, es kann zu Schlafstörungen kommen. Folgende Erkenntnisse gelten als arbeitswissenschaftlich gesichert und sind nach Arbeitsschutzgesetz und ArbZG anzuwenden:
- Einhaltung von kurzen Nachtschichtfolgen (zwei bis max. vier in Folge)
- Vermeidung von mehr als sieben Arbeitstagen in Folge
- Vorwärtsrotation bei kontinuierlichen Schichtbetrieben (auf eine Frühschicht folgt eine Spätschicht und erst danach eine Nachtschicht)
- Die Nachtschicht sollte die kürzeste Schicht und möglichst nicht länger als acht Stunden sein
- Die Rufdienste sind so zu gestalten und im Dienstplan zu führen, dass eine Inanspruchnahme in der Regel nicht stattfindet, also nicht mehr als durchschnittlich eine Inanspruchnahme alle drei Dienste. Visiten sind als Regelarbeit zu führen, da es sich um geplante Tätigkeiten handelt, die in der Zeit des Rufdienstes nicht verrichtet werden dürfen. Die Einhaltung der Ruhezeit von mindestens 5,5 zusammenhängenden Stunden nach einer Inanspruchnahme muss gesichert sein. Die Inanspruchnahmen sind zu dokumentieren.
- Es ist zu beachten, dass den Beschäftigten 15 beschäftigungsfreie Sonntage im Jahr gewährt werden.
- Um zuletzt zu überprüfen, ob die Dienstpläne auch so gelebt werden und den Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes entsprechen, sind die Arbeitszeiten zu dokumentieren und bei Überschreitungen ist direkt einzugreifen und nach der Ursache dafür zu suchen, um eine Wiederholung zu vermeiden.
Studie
Die positiven Auswirkungen von Regeneration und Erholung zeigt eine Studie, die an der Medizinischen Hochschule Hannover MHH in der Klinik für Kinderchirurgie durchgeführt wurde. Es wurden während der Operationen Kurzpausen eingeführt. Die erstaunlichen Ergebnisse der Untersuchung waren unter anderem, dass durch die Kurzpausen von fünf Minuten nach 25 Minuten OP sich weder die Operationszeit verlängert hat noch das OP-Ergebnis beeinträchtigt wurde.
Im Gegenteil, es wurde belegt, dass die Qualität der Arbeit und die Leistungsfähigkeit verbessert wurden, einschließlich einer Reduzierung von Fehleranfälligkeit und Stress für den Operateur. Diese Kurzpausen wurden an der MHH nun in allen operativen Fächern eingeführt.
Werden diese einfachen Regeln bei der Dienstplangestaltung eingehalten, wird die Belastung, die durch Arbeitszeit auf die Beschäftigten einwirken kann, so gering wie möglich gehalten.