Notfallmanagement
Stand: 08/2023

BÜT Notfallmanagement

Krankenhäuser sind wie alle stationären Einrichtungen des Gesundheitswesens durch interne und externe Betriebsstörungen besonders gefährdet. Ein erheblicher Anteil von Patientinnen und Patienten ist nur eingeschränkt mobil und handlungsfähig und die Zahl der gleichzeitig anwesenden Beschäftigten ist in aller Regel nicht ausreichend, um sämtliche Hilfsbedürftigen so zu unterstützen, dass z.B. eine kurzfristige Evakuierung eines Gebäudes oder größeren Gebäudeteils möglich wäre.

Außerdem besteht bei gravierenden Störungen des Krankenhausbetriebs relativ schnell das Problem, dass Patienten durch den Ausfall wichtiger Behandlungs- und Versorgungsmöglichkeiten gefährdet werden bzw. das Haus die vorgesehenen Versorgungsleistungen gegenüber der Bevölkerung nicht mehr erbringen kann.

Daher haben Krankenhäuser einen besonders hohen Organisationsbedarf in Bezug auf externe und interne Notlagen, der natürlich auch die Sicherheit für Beschäftigte einschließt.

1. Gefahren- und Schadenlagen in Krankenhäusern

Damit sind Vorkommnisse bzw. Zustände gemeint, in deren Folge

  • die Behandlungskapazität eines Krankenhauses überlastet und/oder
  • die Funktionalität des Hauses eingeschränkt wird.

Massenanfall von Verletzten oder Erkrankten (MANV)

ist eine Lage, die stark von medizinischen Abwägungen und Entscheidungen geprägt ist. Dabei ist wichtig zu verstehen, dass das deutsche Gesundheitssystem so ausgelegt ist, dass in sehr vielen medizinischen Notlagen Menschen bestmöglich geholfen werden kann. Allerdings folgt die dafür nötige Ressourcenplanung der allgemeinen Lebenserfahrung und beruht im Wesentlichen darauf, dass kritische Fälle, die viele Kräfte binden, nicht in großer Häufigkeit bzw. nicht gleichzeitig an einer Stelle auftreten. Wenn das doch der Fall ist, kommen Krankenhäuser - abhängig von Größe und Versorgungsgrad - relativ schnell an die Grenzen ihrer Versorgungsmöglichkeiten. „Massenanfall“ an Verletzten kann daher – abweichend vom allgemeinen Sprachgebrauch – schon relevant sein, wenn es um 3 – 4 kritische Patienten geht.

Chemische, Biologische, Radiologische und Nukleare Gefahren CRBN

sind ausgesprochen seltene Ereignisse, die in den letzten Jahren allerdings zunehmend in den Fokus geraten sind, insbesondere auf Grund von terroristischen Bedrohungen und gestiegenen globalen Sicherheitsrisiken sowie der weltweiten Mobilität, die Risiken in kurzer Zeit rund um die Erde bringen kann. Die Bandbreite möglicher Ereignisse umfasst das plötzliche Auftreten lebensbedrohlicher, hochansteckender Krankheiten ebenso wie Chemie- oder Nuklearangriffe oder -unfälle oder sogenannte „schmutzige“ Bomben (Sprengsätze, die mit hochgefährlichen Substanzen versetzt sind). Daher und wegen der fehlenden Erfahrung und der zum Teil sehr kritischen gesundheitlichen Folgen solcher Gefahrenlagen sind diese besonders schwer einzuschätzen und mögliche Maßnahmen sehr komplex und schwierig umzusetzen.  

Polizeilagen

umfassen Vorkommnisse wie Körperverletzung, Anschläge/ Amoktaten sowie Geiselnahmen und Entführung (meist bezogen auf Kinder). Auch die Androhung solcher Taten verlangt bereits ein koordiniertes Vorgehen innerhalb der Krankenhausorganisation. In gewissem Ausmaß gehören solche Vorkommnisse leider zum Alltag in Krankenhäusern, in denen sich allgemeingesellschaftliche Entwicklungen widerspiegeln und sich – oft in für die Betreffenden kritischen Lebenssituationen – gewaltsam Bahn brechen. Entsprechend haben die meisten Häuser hier bereits alltagsrelevante Maßnahmen getroffen, wie z.B. Zugangskontrollen, Notrufeinrichtungen oder den Einsatz von Sicherheitsdiensten.


Brand im Krankenhaus

ist leider kein seltenes Ereignis und kommt in technischen Bereichen von Krankenhäusern ebenso vor wie in Patientenzimmern. Den bewährten geltenden Bau- und Betriebsvorgaben für Krankenhäuser ist es zu verdanken, dass das Ausmaß von Personenschäden einigermaßen beschränkt bleibt (lt. Inoffizieller Statistik des bvfa Bundesverband Technischer Brandschutz e.V. etwa 2 – 7 Tote und bis zu 100 Verletzte pro Jahr). Dafür ist es erforderlich, dass alle Beschäftigten in Krankenhäusern fortlaufend über die Vermeidung von Brandgefahren informiert sind und schnelles, richtiges Handeln im Brandfall trainieren. 

Ausfälle kritischer Infrastrukturen

sind in jüngster Vergangenheit deutlich in den Vordergrund des Sicherheitsmanagements im Krankenhaus getreten. Das ist einerseits bedingt durch die zunehmende Technisierung und Digitalisierung im Gesundheitswesen, durch die eine adäquate Patientenversorgung stark von der Verfügbarkeit von Energie, Kommunikation und Datentransfer, Wasser usw. abhängt. Andererseits ist in den letzten Jahren das Risiko von größeren Infrastrukturstörungen durch Naturereignisse, Anschläge oder Mangellagen in der Energieversorgung stärker ins Bewusstsein gerückt. Zwar sind Krankenhäuser vorschriftsmäßig grundsätzlich immer mit einer eigenen Notstromversorgung und oft auch mit versorgungsunabhängiger Heizmöglichkeit versehen, das deckt aber nur einen Teil des Energiebedarfes und auch nur einen Teil des Gesamtproblems ab. Daher sind Krankenhäuser bei nicht nur kurzfristigen Infrastrukturausfällen stark betroffen.

2. Krankenhausalarm- und -einsatzplanung (KAEP)

Grundsätzlich gehört das Notfallmanagement im Gesundheitswesen aus Behördensicht zur öffentlichen Daseinsvorsorge und damit in den Katastrophenschutz. Dieser liegt in der Länderzuständigkeit und wird letztlich von Kreis- und Kommunalverwaltungen und damit bedarfsorientiert höchst unterschiedlich organisiert.

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe BBK hat 2020 ein sehr umfassendes Praxishandbuch zur KAEP herausgebracht. Es soll das Expertenwissen zum Thema bundesweit bündeln und den Krankenhausbetreibern ermöglichen, „in eigener Zuständigkeit und bezogen auf ihre jeweilige Einrichtung strukturiert und systematisch eine KAEP zu erarbeiten“ (Zitat Armin Schuster, 2020 Präsident des BBK im Vorwort zum Handbuch).

Das Handbuch beschreibt umfassend

  • das Vorgehen zur Erstellung einer KAEP, z.B.
    • Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten innerhalb der Krankenhausorganisation
    • Projektorganisation
    • Schnittstellen zur öffentlichen Gefahrenabwehr
    • Fachlicher Hintergrund zur Risikoanalyse im Krankenhaus
  • die grundlegenden Strukturen und Prozesse, die benötigt werden, um ein Haus in Notfallsituationen zu führen und arbeitsfähig zu halten, z.B.:
    • Grundzüge der Stabsarbeit
    • Krankenhauseinsatzleitung (KEL)
    • Checklisten und Handlungsanweisungen für verschiedene Notfallszenarien
    • Melde- und Alarmierungswege
    • Raumordnung und Wegeführung
    • Logistik
    • Krisenkommunikation
    • Psychosoziales Krisenmanagement
  • Fach- und Praxisinformationen zu allen Gefahren- und Schadenslagen (s.o.)
  • Hinweise zum internen Ausbildungsbedarf und zur Durchführung von Übungen
  • Praxisbeispiele von Reallagen aus Krankenhäusern, z.B.
    • Cyberangriff auf das Lukaskrankenhaus Neuss, 2016
    • MANV bei der Loveparade in Duisburg, 2010
    • Brand im BG-Klinikum Bergmannsheil Bochum, 2016
    • Stromausfall am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg, 2017
    • MANV „Amoklauf Olympia-Einkaufzentrum München“, 2016

Das vom BBK im Handbuch KAEP beschriebene Konzept ist äußerst fundiert und beschreibt den fachlich etablierten Stand des Notfallmanagements in Krankenhäusern.


Allerdings muss berücksichtigt werden, dass die Umsetzung dieses Konzeptes eine sehr umfassende und die gesamte Organisation eines Krankenhauses fordernde Aufgabe ist, die mit der Fertigstellung eines individualisierten Handbuches für Alarm- und Einsatzplanung nicht endet, sondern fortdauernd einen Aktualisierungs-, Schulungs- und Übungsbedarf in erheblichem Umfang generiert. Das ist erforderlich, weil die sehr strukturierten Prozesse für Gefahren- und Schadenslagen unter vielen Gesichtspunkten völlig anders laufen als es im Normalbetrieb der Fall ist und diese nur dann umgesetzt werden können, wenn die Mehrzahl der Beschäftigten und alle Führungskräfte darüber informiert und entsprechend trainiert sind.

Zur Einschätzung des mit dem Betrieb einer solchen individualisierten KAEP verbunden Aufwandes sei darauf verwiesen, dass im Handbuch ausdrücklich die Leitung und Pflege der KAEP einer mindestens teilzeitbeschäftigten vollberuflichen Kraft zugewiesen wird, und nicht etwa „nebenher“ einem bereits in Vollzeit anderweitig beschäftigten Mitarbeiter.

Das Handbuch Krankenhausalarm- und -einsatzplanung (KAEP) ist über die Internetseite des BBK erhältlich. Das BBK bietet über die Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und Zivile Verteidigung (kurz: BABZ) - der früheren Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (kurz: AKNZ) - verschiedene begleitende Schulungen an.

3. Notfallmanagement im Rahmen der allgemeinen Gefahrenabwehr und Prävention

Nicht jedes Krankenhaus wird mittelfristig in der Lage sein, eine umfassende KAEP im Sinne des vom BBK verlegten Konzeptes zu erstellen und zu betreiben. Dabei wird kein Betreiber den Bedarf an Notfallkompetenz in Frage stellen. Die sehr herausfordernden Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen erlauben es aber häufig nicht, eine umfassende KAEP zeitnah, mit dem nötigen Nachdruck und dem dafür unvermeidlichen Ressourcenaufwand zu forcieren. Gründe dafür liegen z.B. in

  • fehlenden Personalressourcen zur Erarbeitung einer KAEP und – mehr noch – für die Implementierung und den damit verbundenen Schulungs- und Übungsaufwand.
  • den sich oft schnell wandelnden Gegebenheiten in Gesundheitseinrichtungen, verbunden mit einer oft hohen Personalfluktuation. Das führt zu immer neuen tagesaktuellen Herausforderungen und macht es schwierig, erworbenes Verständnis und Kompetenzen für Notfalllagen zu erhalten und zu festigen.
  • fehlenden finanziellen, baulichen und technischen Möglichkeiten, um bestimmte Schutzmaßnahmen oder Notfalllösungen umzusetzen.
  • ungeklärten oder schwierig zu bedienenden Schnittstellen zu externen Stellen/ dem öffentlichen Katastrophenschutz, die lokal völlig unterschiedlich beschaffen sein können.  

Trotzdem ist natürlich unbestritten, dass jedes Haus, gleich ob gut, weniger gut oder kaum vorbereitet, jederzeit von einer der genannten Gefahren- bzw. Schadenlagen getroffen werden kann. Vor diesem Hintergrund macht es Sinn, alle Beteiligten, die in der betrieblichen Praxis mit Sicherheitsfragen im Krankenhaus konfrontiert sind, dahingehend zu sensibilisieren, dass mindestens die bereits feststehenden bzw. sofort umsetzbaren Maßnahmen, die in dem einen oder anderen Zusammenhang zu ergreifen sind, an geeigneter Stelle gebündelt, miteinander abgeglichen und von allen einheitlich verstanden und umgesetzt werden. Das bezieht sich zum Beispiel auf:

  • Brandschutzordnungen und -unterweisungen
  • Regelungen zur Krankenhauseinsatzleitung KEL bzw. zu vergleichbaren Krisenstäben
  • Notfallpläne/ Handlungsanweisungen für Bedrohungen, tätliche Übergriffe
  • vorhandene medizinische Notfallpläne in unterschiedlichen Zusammenhängen
  • Infektionsschutzpläne nach öffentlichem Recht
  • Krisen- und Katastrophenpläne, die von den örtlichen Behörden vorgegeben werden.

Solche und ähnliche Dokumente bzw. Strukturen existieren in den meisten Häusern, auch wenn noch keine strukturierte KAEP erfolgt ist. Ggf. sind sie zu aktualisieren oder zu ergänzen, z.B. in dem Prozesse beschrieben werden, die bereits umgesetzt und eingeübt, aber noch nicht verschriftlicht wurden. Auf diese Weise können die vorhandenen Kompetenzen, Handlungsmöglichkeiten und Erfahrungen, über die ein Haus verfügt, wie Bausteine in einer Art Modulbaukasten gesammelt und besser zugänglich gemacht werden.

Gelegentlich werden solche Bemühungen dadurch erschwert, dass bei der Beschäftigung mit einzelnen Gefahrenlagen schnell klar wird, dass komplexe Szenarien wie beispielsweise der Terroranschlag mit hochschädigendem biologischen Material oder der tagelange totale Infrastrukturausfall („Blackout“) nahezu alle präventiven Überlegungen unzureichend erscheinen lassen und die dafür erforderlichen sehr umfänglichen Schutzmaßnahmen vor Ort häufig praktisch nicht umsetzbar sind. Das darf im Interesse eines verantwortungsvollen Krankenhausbetriebes aber nicht dazu führen, dass gar keine Überlegungen und Vorbereitungen zur Gefahrenabwehr vorgenommen werden.


Wenn im Rahmen der Notfallplanung zunächst die Themen aufgegriffen und bearbeitet werden, für die es Lösungsansätze gibt, ist das sicher konstruktiver und trägt mehr zur Betriebssicherheit und zur gesamtgesellschaftlichen Verantwortung eines Krankenhauses bei, als wenn der gesamte Themenbereich vernachlässigt wird, weil umfassende Schutzkonzepte für jegliche Art von Gefahrenlage nicht realisierbar erscheinen.

Auf diese Weise können nach und nach Elemente eines Notfallmanagements ausgearbeitet und zusammengefügt werden. In der Folge wird leichter deutlich, wo es im konkreten Fall sinnvoll ist, nachzusteuern, ergänzende Maßnahmen umzusetzen oder weitere Handlungsanweisungen zu erarbeiten.

Mögliche Handlungsfelder sind zum Beispiel:

  • Organisation und Training einer Krankenhauseinsatzleitung KEL
    Allgemein werden Notfalllagen im öffentlichen Katastrophenschutz mit Einsatzstäben und in sog. Stabsarbeit bearbeitet. Das bedeutet kurzgefasst, dass alle relevanten Bereiche in strukturierter und koordinierter Form einer Einsatzleitung zuarbeiten. Dieses Konzept weicht von alltäglichen Führungsstrukturen eines Krankenhauses ab und ist daher erklärungs- und gewöhnungsbedürftig. Es ist wichtig, dass Verantwortliche im Krankenhaus wenigstens die Grundzüge von Stabsarbeit kennen und die sogenannten Stabsfunktionen
    • S1 Personal
    • S2 Lage
    • S3 Einsatz
    • S4 Versorgung
    • S5 Medien
    • S6 Information, Kommunikation

verstehen und bedienen können. Entsprechendes Material und Schulungen sind über die örtlich zuständigen Behörden und auch über das BBK zu erhalten.

  • Ständige Aktualisierung von Telefonlisten und Verteilung an den erforderlichen Stellen
  • Erarbeitung von einfachen Handlungsanweisungen für Gefahren- und Schadenlagen und regelmäßige Unterweisung dazu, ggf. im Zuge von obligatorischen Brandschutz- oder Arbeitsschutzunterweisungen.
    Beispiel 1:
    Kurzanleitung für Mitglieder der Krankenhauseinsatzleitung bei Alarmierung der KEL (hier Pflegedirektion und OP-Leitung)
    Beispiel 2:
    Handlungsanweisung für Mitarbeitende in patientenführenden Bereichen bei Auslösung der Brandmeldeanlage bzw. bei Brand/ Rauchentwicklung im Bereich
    Beispiel 3:
    Handlungsanweisung für alle Mitarbeitende für Bedrohung, Gewalt, Amok
  • Abgleich von bestehenden Handlungsanweisungen für Notfälle. Abweichungen oder gegensätzliche Zielsetzungen kann es z.B. geben zwischen
    • Externen und internen Vorgaben für MANV-Lagen oder massenhafte Erkrankungen
    • Zugriffsbeschränkenden Datensicherheitskonzepten für den Normalbetrieb und vereinfachten Notfalllösungen für IT-Ausfälle
  • Praktische Trainings und Kleinübungen, z.B. zum Umgang mit dem Handfeuerlöscher, Umgang mit Fluchthauben, Evakuierungstüchern, Funkgeräten, Schutzausrüstung für plötzliche Infektionsverdachtsfälle usw.
  • Notfalllösungen für Ausfälle der internen Kommunikationssysteme (z.B. Vorhalten von Funkgeräten, ggf. auch Satellitentelefonen)
  • Detailprüfung der Funktionalität der Notstromversorgung. Weil in diesem Bereich selten Tests unter Echtbedingungen gefahren werden können und außerdem der technische Betrieb in medizinischen Bereichen ständigen fortlaufenden Veränderungen unterliegt, ist oft nicht klar, in welchem Umfang die obligatorische Notstromversorgung tatsächlich zur Verfügung steht.
  • Verbesserung der logistischen Versorgung, z.B. durch Überarbeitung der Notfallbevorratung
  • Konkretisierung von Absprachen mit Versorgern
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