Für die sichere, ergonomische und ressourcenorientierte Unterstützung von Menschen bei der Bewegung gibt es verschiedene Konzepte, die in der Pflege und Betreuung unterschiedlich weit verbreitet sind. So gibt es:
- Technisch orientierte Modelle, die hauptsächlich Hilfsmittel, z.B. Lifter, verwenden
- Orthopädisch und biomechanisch basierte Ansätze, die das Körperbewusstsein der Beschäftigten bei den alltäglichen Bewegungs- und Transferaufgaben verbessern und zu wirbelsäulenentlastenden Arbeitstechniken führen
- Modelle, die das Bewegen bzw. die Bewegungsunterstützung einer Person als Interaktion zwischen Pflegefachperson und der zu unterstützenden Person verstehen. Damit sollen sowohl pflegerische Ziele, z.B. die Mobilisierung einer Person, als auch eine Reduzierung von Wirbelsäulenbelastungen bei Beschäftigten erreicht werden
- Präventionskonzepte, die die genannten Modelle kombinieren
Obwohl sich die Konzepte deutlich unterscheiden, findet man bestimmte Grundsätze fast überall wieder.
Das eine und einzig richtige Konzept für die Pflege und Betreuung gibt es nicht. Auch wenn sich eine Einrichtung zum Beispiel dafür entscheidet, hauptsächlich nach einem bestimmten Konzept zu arbeiten, muss im Bedarfsfall davon abgewichen werden können. Dies bedeutet: Es gibt eine sinnvoll ausgewählte Möglichkeit der
Bewegungsunterstützung, auf die man sich in einem Krankenhaus oder auf einer Fachabteilung geeinigt hat und nach der alle Beschäftigten arbeiten. Dennoch kann es möglich sein, dass im Einzelfall begründet davon abgewichen werden muss, zum Beispiel, weil es einer Patientin an einem Tag nicht so geht wie am Tag zuvor und sie akut eine andere Unterstützung benötigt.
Aktivitas-Pflege®
Dieses Konzept ist auf die Aktivierung von Personen ausgerichtet, um erhaltene Fähigkeiten zu unterstützen, zu erweitern oder neue Bewegungsmöglichkeiten zu entwickeln. Ursprünglich wurde es für Schlaganfall- und motorisch gestörte Patientinnen und Patienten entwickelt. Es ist besonders effektiv für Menschen mit Wahrnehmungseinschränkungen, Bewegungseinschränkungen und Desorientierung.
Physiologische Bewegungsmuster werden nach der Analyse der Situation bewusst auf die zu unterstützende Person übertragen. Aktivitas-Pflege® nutzt Bestandteile aus der Kinästhetik, der Bobath-Therapie, der basalen Stimulation und aus anderen Konzepten, die die Wahrnehmung fördern, miteinander verknüpft.
Sowohl die Praktizierenden (Pflegefachpersonen oder pflegende Angehörige) als auch die unterstützten Personen erfahren eine Sensibilisierung in Bezug auf ihre Bewegungsabläufe. Somit trägt dieses Konzept auch positiv zu einer ergonomischen und sicheren Arbeitsweise bei.
Das Konzept wurde von der Krankenschwester und Diplom-Medizinpädagogin Prof. Marlies Beckmann entwickelt.
Bobath-Konzept
Das “Bobath-Konzept” wurde ab 1943 von der Physiotherapeutin Berta Bobath entwickelt. Sie erkannte, dass sich Spastiken in Abhängigkeit von der Lagerung und Stellung des Körpers entwickeln. Die neurologischen Grundlagen erarbeitete ihr Ehemann, der Neurologe Dr. Karel Bobath.
Zu Beginn standen Kinder mit Cerebralparesen und Erwachsene mit Hemiplegie im Mittelpunkt des therapeutischen Ansatzes. Die kontinuierliche Weiterentwicklung des Konzeptes durch wissenschaftliche Erkenntnisse erweiterte das Therapie- und Förderspektrum. Insofern wird “Bobath” heutzutage bei Menschen jeglichen Alters mit neurologischen Erkrankungen angewendet. Auch für Kinder mit Entwicklungsstörungen wird es genutzt.
Der Fokus des Bobath-Konzeptes liegt auf den zu unterstützenden Personen.
Kinaesthetics
Das Wort “Kinaesthetics” setzt sich aus KINESIE (Bewegung) und AETHETICS (Wahrnehmung) zusammen.
Das Konzept wurde von den Verhaltenskybernetikern Dr. Lenny Maietta und Dr. Frank Hatch entwickelt.
Kinästhetik schult die eigene Bewegungswahrnehmung. In der Pflege und Betreuung findet eine gemeinsame Bewegung mit den zu unterstützenden Personen statt. Dabei wird die Bewegung auf das individuelle Bewegungsmuster der zu unterstützenden Person ausgerichtet.
Die unterstützende Person fördert die Gesundheit der zu unterstützenden Person , indem diese dabei unterstützt wird, sich selbst zu bewegen. Dadurch werden innere Prozesse wie die Atmung oder die Durchblutung angeregt.
Kinästhetik versteht sich nicht nur als ein Lernmodell, sondern auch als ein Konzept zur Gesundheitsentwicklung. Mit kinästhetischer Sensibilisierung können Verletzungen vermieden und es kann ergonomisch gepflegt werden.
Ergonomico-Konzept
Das Konzept zur Prävention von Muskel- und Skeletterkrankungen und insbesondere von Rückenbeschwerden wurde vom Forum fBB entwickelt.
Die Ressourcen der zu unterstützenden Menschen zu erhalten und zu verbessern und gleichzeitig die körperliche Belastung der Beschäftigten zu reduzieren, sind die Ziele dieses Konzeptes. Hierzu verknüpft es die ergonomische Arbeitsweise in Pflege und Betreuung mit der ressourcenorientierten Arbeitsweise zur Förderung der Gesundheitsentwicklung von Patientinnen und Patienten und mit dem situationsorientierten Einsatz von Hilfsmitteln.
Zugrunde gelegt wurden das Konzept TOPAS-R der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), Erkenntnisse aus verschiedenen Forschungsprojekten sowie die europäischen Empfehlungen der Arbeitsgruppe Ergonomie der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS).
Rückengerechter Patiententransfer in der Kranken- und Altenpflege
Das Präventionsprogramm wurde unter ärztlicher Leitung gemeinsam mit Praktikerinnen und Praktikern aus der Pflege entwickelt. Das Hauptziel war es, durch Senkung mechanischer Belastung beim Bewegen von Patientinnen und Patienten Rückenschmerzen und Rückenerkrankungen vorzubeugen. Die Empfehlungen beruhen auf orthopädischen und biomechanischen Untersuchungen und auf den Grundsätzen der Ergonomie. Am Beispiel typischer Pflegeaufgaben wird exemplarisch die Anwendung der Prinzipien des rückengerechten Patiententransfers vermittelt. Mithilfe dieser Prinzipien können Pflegefachpersonen unter Nutzung eigener Kompetenzen und Erfahrungen die anfallenden Transferaufgaben ergonomisch verrichten.
Das Programm stellt kein eigenständiges Pflegekonzept dar, lässt sich aber mit allen wichtigen Pflegekonzepten kombinieren. Zum Programm gehört ein spezifisches Vermittlungs- und Umsetzungskonzept durch Instruktorinnen und Instruktoren, die sich als hauseigene Expertinnen und Experten weiterentwickeln und als feste Instanz in der Einrichtung etablieren sollen. Der Umsetzungsprozess ist teamorientiert und beinhaltet die Schulung aller Beschäftigten, Praxisbegleitung und -beratung sowie Auswertung, ergänzende Maßnahmen und Auffrischungsangebote.
Rückenschule
Voraussetzungen für eine ergonomische und sichere Arbeitsweise sind die Berücksichtigung biomechanischer Grundprinzipien und eine gute eigene körperliche Konstitution. Eine Pflegefachperson sollte das entsprechende Körpergefühl sowie die erforderliche Muskelkraft und Gelenkbeweglichkeit zur Durchführung ergonomischer und sicherer Bewegungsabläufe besitzen.
Eine “arbeitsplatzbezogene Rückenschule” bietet die Möglichkeit, diese Fähigkeiten zu verbessern. Die Teilnehmenden werden in die Lage versetzt, Bewegungsabläufe am Arbeitsplatz ergonomisch zu gestalten. Sie erkennen die Bedeutung von Funktionsgymnastik, Kräftigungs-, Dehnungs- und Entspannungsübungen für das eigene Wohlbefinden und die Gesundheit. Eine ergonomische Verhaltensweise im Beruf ist nur in Kombination mit einem ergonomischen Verhalten im Privatleben möglich.
weitere Informationen zur Rückenschule
Ziel:
Die Teilnehmenden sollen in der Lage sein, selbstständig zu entscheiden, was für ihre Gesundheit wichtig ist und fähig sein, dies sowohl im Berufsleben als auch im Alltag zu beachten und umzusetzen.
TOPAS-R
Das ganzheitliche Konzept der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) zur Prävention von Muskel- und Skeletterkrankungen, insbesondere von Rückenbeschwerden in der Pflege und Betreuung, verbindet alle Elemente des betrieblichen Arbeitssystems zu einer ganzheitlichen Präventionsstrategie.
Leitmotiv für TOPAS-R ist der durch das Arbeitsschutzgesetz und die Lastenhandhabungsverordnung gesetzlich vorgeschriebene Schutz der Beschäftigten in Bezug auf Gefährdungen für das Muskel- und Skelett-System.
Die BGW zeigt mit TOPAS-R, wie den vielfältigen Ursachen von Muskel- und Skeletterkrankungen, insbesondere den Rückenbeschwerden, mit Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen begegnet werden kann.
Das Konzept basiert auf dem Wissen, dass es bei den Maßnahmen zum Arbeitsschutz und zur Gesundheitsförderung eine Hierarchie gibt: Technisch/Baulich (T) vor Organisatorisch (O) vor Personenbezogen (P). Die Abkürzungen AS und R stehen für Arbeitsschutz und Rücken.
Der hier verwendete Text wurde teilweise aus der DGUV Information 207-021 „CD-ROM: Rückengerechtes Arbeiten in Pflege und Betreuung “ entnommen.
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