Übergriffe von Patienten und Bewohnern auf das Personal in Gesundheitseinrichtungen haben zweifelsohne einen Hintergrund in den jeweiligen Persönlichkeiten, psychischen Beeinträchtigungen oder Behinderungen bzw. den damit verbundenen Symptomen. Diese sind jedoch in der Regel weniger entscheidend für die Eskalation der Aggression als die Interaktion und die Dynamik der Situation zwischen Mitarbeiter und Patient.
Eine Situation kann eskalieren, wenn die beiden Seiten in unpassender Weise aufeinander reagieren. Die wechselseitigen Reaktionen erzeugen Erwartungen ("Die andere Seite will mir schaden"), Handlungsüberlegungen ("Wie kann ich mich am besten verteidigen?") und Emotionen (z.B. Angst). Steigern sich diese bewussten und unbewussten Reaktionen gegenseitig weiter, besteht die Gefahr einer Konfliktspirale, aus der mit zunehmender Dauer nur schwer zu entkommen ist.
Wenn in Gesundheitseinrichtungen über die Entstehung von Aggression und Gewalt nachgedacht wird, richtet sich der Blick oftmals nur auf die Patienten und Bewohner. Zweifellos werden Übergriffe in der Entstehung durch psychische Störungen, Behinderungen oder Persönlichkeitsmerkmale begünstigt. Die Auslöser liegen aber meistens im interaktiven bzw. zwischenmenschlichen Bereich, indem sich eine Seite der Beteiligten durch die andere herausgefordert oder gar provoziert fühlt. Dies wird in der Psychologie als ‚aversive Stimulation' bezeichnet. Beispiele hierfür sind die Verweigerung von Wünschen, die Aufforderung zur Teilnahme an diagnostischen, therapeutischen oder pflegerischen Maßnahmen, welche von den Patienten oder Bewohnern abgelehnt werden, oder aber mitunter allein schon eine geschlossene Stationstür.
Diese und viele andere Dinge können Ärger, Wut und Angst hervorrufen, welche schließlich zu aggressiven Handlungen führen können. Wenn diese besondere Situation der Patienten und Bewohner von den Beschäftigten nicht wahrgenommen und darauf nicht in geeigneter Weise reagiert wird, kann eine Eskalationssituation entstehen.
Durch professionellen Umgang mit Aggression und Gewalt können solche Situationen vermieden beziehungsweise entschärft werden.
Entscheidend ist in solchen Situationen, weitere ‚aversive Stimulationen' zu unterlassen und eine kommunikative Beziehung zur anderen Seite aufzubauen.
Die Deeskalation aggressiver Situationen setzt ein gutes Wissen um Konfliktentstehung und Konfliktlösung voraus, genauso wie kommunikative Kompetenzen (Beziehungsaufbau und -aufrechterhaltung) und eine einfühlsame (empathische) Grundhaltung.
Der hier verwendeten Texte und Medien wurden aus der DVD „Risiko Übergriff – Konfliktmanagement im Gesundheitsdienst“ (Stand: 2010) entnommen.