Jede Einrichtung muss die organisatorischen Voraussetzungen dafür schaffen, dass nach einem Übergriff unmittelbar und angemessen reagiert wird. Was angemessen ist, wird durch die individuellen Bedürfnisse des vom Übergriff betroffenen Beschäftigten bestimmt.
In dieses Nachsorgekonzept sollen sowohl die unmittelbaren Kollegen des Betroffenen als auch die Leitungsebene der Einrichtung mit einbezogen werden.
Da eine Betreuung durch Kollegen der gleichen Ebene oftmals eher akzeptiert wird als durch Vorgesetzte, kommt ihnen in der Nachsorge eine wichtige Rolle, aber auch eine große Verantwortung zu. Wie diese Aufgabe auszufüllen ist, sollte Inhalt von Fort- oder Weiterbildungsmaßnahmen sein.
Führt der Übergriff zu längeren Krankheits- oder Ausfallzeiten, muss die Einrichtungsleitung zudem betriebliche Wiedereingliederungsmaßnahmen anbieten.
Eine angemessene Nachsorge setzt eine funktionierende Organisation voraus. Diese beginnt mit der Einrichtung einer Meldekette für die Vorfälle. Es muss festgelegt werden, wer wen worüber informiert (z.B. Stationsleitung informiert Pflegedienstleitung, diese informiert die Personen, die als Ansprechpartner mit dem betroffenen Mitarbeiter Kontakt aufnehmen). Aufgrund vielfältiger Erfahrungen im Gesundheitsdienst hat sich das Modell des ‚Peer Support' als vorteilhaft erwiesen. Hierunter versteht man die Unterstützung durch hierarchisch gleichgestellte Personen, zu denen man erfahrungsgemäß eher Vertrauen aufbaut als gegenüber Vorgesetzten. Eine entsprechende Schulung der Ansprechpartner über posttraumatische Reaktionen und adäquate Kommunikationstechniken für den Umgang mit diesen Reaktionen ist sinnvoll.
Die Ansprechpartner können dem Betroffenen jedoch keine therapeutische Hilfe bieten, sondern ausschließlich soziale Unterstützung. Eine zentrale Aufgabe der Nachsorge besteht darin abzuschätzen, ob und ggf. wann eine psychotherapeutische Maßnahme in Anspruch genommen werden sollte.
Die Anbahnung und die Einleitung von Maßnahmen, wie die Möglichkeit der Inanspruchnahme von probatorischen Therapiesitzungen, die von den Unfallversicherungsträgern finanziert werden, kann ebenfalls durch diese geschulten Ansprechpartner erfolgen.
Betriebliches Wiedereingliederungsmanagement (BEM)
Jeder Unternehmer ist gesetzlich dazu verpflichtet, für Beschäftigte, die länger als 6 Wochen ununterbrochen oder innerhalb eines Jahres insgesamt 6 Wochen arbeitsunfähig sind, ein betriebliches Wiedereingliederungsmanagement durchzuführen. Dabei soll die Arbeitsunfähigkeit der Betroffenen überwunden und einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden. Die Verpflichtung zum BEM hat auch für den Unternehmer Vorteile. Die Arbeitsfähigkeit erfahrener, qualifizierter Mitarbeiter kann langfristig gesichert werden und durch Krankheit bedingte Kosten sinken.
Der hier verwendeten Texte und Medien wurden aus der DVD „Risiko Übergriff – Konfliktmanagement im Gesundheitsdienst“ (Stand: 2010) entnommen.