Zu den wichtigsten Schutzmaßnahmen gehört die Immunisierung (Impfung) der Beschäftigten. Gemäß der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) ist die Immunisierung der Beschäftigten im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge – nach ärztlicher Beratung – kostenlos anzubieten. Kostenträger ist der Unternehmer. Die Notwendigkeit eines Impfangebotes durch den Arbeitgeber ist im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu prüfen und unter Beteiligung der Betriebsmedizin zu entscheiden.
Von den drei betrachteten Infektionserkrankungen ist nur Hepatitis B impfpräventabel. Im medizinischen Bereich ist die HBV-Impfung daher die wichtigste Immunisierungsmaßnahme.
Bei Injektionen sind grundsätzlich geeignete medizinische Einmalhandschuhe zu tragen, um den direkten Hautkontakt mit Körperflüssigkeiten zu vermeiden. Auch die exakte Einhaltung der Hygienestandards, insbesondere die hygienische Händedesinfektion, schützt neben den Patienten auch die Beschäftigten vor Infektionen.
Nach der Injektion sind die benutzten Kanülen unverzüglich in einen geeigneten Abwurfbehälter zu entsorgen. Das bedeutet, dass der Abwurfbehälter am Ort der Injektion bereitstehen muss (innerhalb 0,5 m). Eine kritische Situation besteht nach dem Herausziehen einer Nadel aus der Injektionsstelle. Jede überflüssige Bewegung mit der ungeschützten Nadel in der Hand, insbesondere bei unerwarteten Situationen und Störungen des Arbeitsablaufes durch Patienten oder Kollegen, lässt das Risiko einer Stichverletzung stark ansteigen. Ein Transport der ungeschützten Kanüle, das Ablegen auf Betten, Nachttischen oder Essenstabletts sowie das Wiederaufstecken der Schutzkappe (Recapping) ist strengstens untersagt, da hiermit ein erhebliches Verletzungs- und damit Infektionsrisiko verbunden ist. Die Entsorgung muss in jedem Fall durch denjenigen erfolgen, der appliziert.
Geeignet ist ein Abwurfbehälter dann, wenn Einfüllöffnung und Größe dem Entsorgungsgut angepasst sind. Auch muss der Behälter über passende Abstreif- oder Abdrehvorrichtungen für die verwendeten Kanülen verfügen, damit diese nicht von Hand abgezogen oder abgedreht werden müssen. Die allgemeinen Anforderungen an Abwurfbehälter für Spritzen und Kanülen sind in der Technischen Regel für Biologische Arbeitsstoffe 250 (TRBA 250) beschrieben.
Im Falle einer Stichverletzung ist das Vorgehen anhand eines "Notfallplan Kanülenstichverletzung" von großer Bedeutung. Er regelt die Sofortmaßnahmen wie z. B. Ausbluten und Desinfektion der Wunde, Aufsuchen des Durchgangsarztes, erforderliche labordiagnostische Untersuchungen, gegebenenfalls die Gabe von Immunglobulinen und die schnelle Durchführung einer Postexpositionsprophylaxe (PEP). Er regelt ebenfalls die betriebsmedizinische Nachbetreuung. Der Plan sollte in Abstimmung mit dem Betriebsarzt erstellt werden und auf allen Stationen / Arbeitsbereichen ausliegen bzw. im Klinik-Intranet zur Verfügung stehen und den Mitarbeitern im Rahmen der Arbeitsschutzunterweisungen bekannt gemacht werden.
Aus versicherungsrechtlichen Gründen müssen Kanülenstichverletzungen dokumentiert werden (z. B. Verbandbuch, D-Arztbericht, Unfallanzeige). Die Dokumentaion ist mindestens zehn Jahre aufzubewahren.
Kanülenstichverletzungen gehören zu den häufigsten Verletzungen im Gesundheitsdienst. Ursache ist oft ein unsachgemäßer Umgang mit Spritzen und Kanülen oder den vorgesehenen Entsorgungssystemen.
Typische Fehler sind:
a) Es werden ungeeignete Abwurfbehälter bereitgestellt
b) Die Abwurfbehälter werden unsachgemäß benutzt
Bei der Auswahl der Abwurfbehälter ist unbedingt zu berücksichtigen, welche Kanülen und Instrumente darin entsorgt werden sollen. Die Einfüllöffnung muss ausreichend groß sein, um alle Entsorgungsgüter ungehindert einwerfen zu können. Andererseits darf die Öffnung auch nicht so groß sein, dass sich der Behälter vollständig entleert, wenn er versehentlich umfällt. Auch der Behälter selbst muss eine angemessene Größe haben und aus einem durchstichsicheren Material bestehen. Fallen einerseits sehr kleine Kanülen (z. B. Pen-Kanülen), andererseits aber auch großvolumige Abfälle (z. B. Infusionssystem) an, kann es sinnvoll sein, mehrere Behälter unterschiedlicher Größe zu verwenden.
Letztlich ist es auch wichtig, dass für den Einsatz im Patientenzimmer ausreichend mobile Behälter zur Verfügung stehen. Abwurfbehälter, die groß und sperrig sind, werden oft nicht mitgeführt. Die Folge ist, dass verwendete Kanülen ungeschützt ins Dienstzimmer transportiert und erst hier ordnungsgemäß entsorgt werden. Oder dass die Schutzkappen auf benutzte Kanülen aufgesteckt werden, weil ein direkter Abwurf mangels Abwurfbehälter nicht möglich ist. In diesem Beispiel wird das Fehlverhalten der Beschäftigten durch ungeeignete Arbeitsmittel begünstigt oder erst herbeigeführt.
Bewährt haben sich auf die jeweilige Aufgabe abgestimmte Spritzentabletts, die die bequeme Mitnahme aller erforderlichen Utensilien einschließlich geeigneter Abwurfbehälter ermöglichen. Die Abwurfbehälter sind bei solchen Systemen standsicher auf den Tabletts montiert und so auch gegen Umfallen gesichert.
Auch wenn die Behälter grundsätzlich geeignet sind, kommt es durch unsachgemäße Benutzung nicht selten zu vermeidbaren Gefährdungen.
Häufiger Fehler ist, dass die Behälter vor der ersten Benutzung nicht ordnungsgemäß montiert, d. h. Behälter und Deckel nicht fest miteinander verbunden werden. Dadurch kann der Deckel nach dem Befüllen des Behälters – etwa wenn er versehentlich umfällt – abspringen und die benutzten Kanülen wieder freigeben.
Mitunter wird ein erheblicher Kraftaufwand benötigt, um den Deckel fest mit dem Behälter zu verpressen. Lösungen könnten darin bestehen, den Beschäftigten nur vormontierte Behälter zur Verfügung zu stellen oder Produkte zu wählen, die sich mit weniger Kraftaufwand montieren lassen.
Darüber hinaus werden Abwurfbehälter häufig überfüllt. Auch dies kann unterschiedliche Ursachen haben. Die Markierung des maximal zulässigen Füllstands ist oft sehr unscheinbar. Hier kommt es darauf an, die Beschäftigten darauf hinzuweisen, dass der Behälter nicht über diese Markierung hinaus befüllt werden darf, das heißt, es darf nichts über diese Markierung hinausragen. Zu dieser Füllstandskontrolle sollte jeder Vorgesetzte seine Mitarbeiter grundsätzlich verpflichten. Es kann helfen, die Markierung mit einem Stift (permanent) nachzuzeichnen.
Behälter werden auch deshalb oft überfüllt, weil nicht genügend Ersatzbehälter im Arbeitsbereich bevorratet werden. Es ist Aufgabe der zuständigen Führungskraft, dafür zu sorgen, dass stets ausreichend Behälter zur Verfügung stehen. Auch sollte verbindlich geregelt sein, wer für den rechtzeitigen Austausch der Behälter verantwortlich ist. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn mehrere Fachrichtungen oder Berufsgruppen die Entsorgungssysteme gemeinsam nutzen.
Vor der endgültigen Entsorgung sind die Abwurfbehälter sicher zu verschließen.
Wirksamstes Mittel gegen sicherheitswidriges Verhalten der Beschäftigten ist nach wie vor die Arbeitsschutzunterweisung. Darin sollten die Führungskräfte die sachgemäße Benutzung der Spritzen und Kanülen, aber auch der Entsorgungssysteme sowie das Verhalten nach Unfällen gemäß Notfallplan vermitteln. Anschließend ist darauf zu achten, dass Weisungen im Alltag auch befolgt werden.
Die verpflichtende Teilnahme an Schulungen, ein entsprechendes Controlling und die Umsetzung von Sanktionen bei Fehlverhalten sind wichtige Faktoren im Hinblick auf die Nachhaltigkeit der Unterweisungen. Der Unterweisung von Ärzten in der Ausbildung, Schülern, Praktikanten und neuen Mitarbeiter/-innen kommt hier eine besondere Bedeutung zu. Selbstverständlich müssen die Unterweisungsinhalte auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten sein.